Vorbereitungsdienst

„Wir wollen Kompetenzen entwickeln“

Dr. Manacnuc Mathias Lichtenfeld ist Rektor des Predigerseminars in Nürnberg. Im Interview erzählt er, was die angehenden Pfarrerinnen und Pfarrer im Vikariat erwartet und welchen Herausforderungen sie sich stellen müssen.

Dr. Lichtenfeld, mit einem abgeschlossenen Theologiestudium ist man noch lange nicht Pfarrerin oder Pfarrer. Erst wartet noch das Vikariat.
Das stimmt! Das Vikariat ist die zweite Ausbildungsphase nach dem abgeschlossenen Theologiestudium. Es dauert bei uns in Bayern zweieinhalb Jahre. Die Vikarinnen und Vikare werden einer Ausbildungsgemeinde und einer Mentorin oder einem Mentor zugeteilt. Das Vikariat ist in einer Zirkelstruktur zweitgeteilt in Praxis und Theorie. Vor Ort in der Gemeinde unter Anleitung einer Pfarrerin oder eines Pfarrers und dann immer wieder im Predigerseminar, wo die Erfahrungen aus der praktischen Arbeit in den Gemeinden reflektiert und besprochen werden. Das ist gut strukturiert und baut aufeinander auf.

Pfarrerin nach einem Gottesdienst
Herausforderung Gottesdienst. Das Vikariat ist die zweite Ausbildungsphase auf dem Weg zum Beruf PfarrerELKB - Henkel

Wie sind die zweieinhalb Jahre Vikariat genau aufgebaut?
Knapp fünf Monate davon finden im Predigerseminar statt. Das sind insgesamt 19 Kurswochen. Das hört sich viel an, ist es aber über den Zeitraum gesehen nicht. Die Kursgruppe aus 20 bis 25 Vikarinnen und Vikaren kommt in der Regel für jeweils zwei Wochen zu uns. Unser Curriculum umfasst alle Handlungsfelder des Pfarrberufs. Wir beginnen mit der Einführung in Person, Amt und Rolle, der Frage, was es bedeutet, Pfarrer zu sein. Es geht weiter mit dem großen Thema Gottesdienst, denn die Vikarinnen und Vikare sollen alle drei bis vier Wochen selbst einen Gottesdienst gestalten. Darauf folgt ausführlich der Bereich Seelsorge, dann die Religionspädagogik, und im zweiten Ausbildungsjahr liegt der Schwerpunkt auf Gemeindeleitung und -entwicklung.

„Die Vikarinnen und Vikare können im Predigerseminar die Kraft und Unterstützung der Gruppe nutzen.“

Wie muss man sich den Unterricht und die Seminare vorstellen?
Wir unterrichten hier nicht wie in der Schule. Unser Ziel ist es, Kompetenzen zu entwickeln, damit die Vikarinnen und Vikare den Herausforderungen angemessen und situationsgerecht reagieren können. Wir arbeiten viel in Kleingruppen, selbstorganisiert und autonom. Wir legen Wert auf Teamarbeit, denn auch im Pfarramt arbeiten wir mit vielen anderen Menschen zusammen und profitieren von deren Kompetenzen. Die Vikarinnen und Vikare können im Predigerseminar die Kraft und Unterstützung der Gruppe nutzen, den starken Input und die kollegiale Rückmeldung.
 

Haben die Vikarinnen und Vikare noch weitere Berührungspunkte?
Die Vikarinnen und Vikare sind in Regionalgruppen eingeteilt. An einem Tag im Monat treffen sich die Gruppen, die meist aus drei bis fünf Personen bestehen. Hier wird gemeinsam gezielt und eigenverantwortlich an Themen gearbeitet. Gelegentlich wird sich gegenseitig im Gottesdienst besucht, oder man sieht sich gemeinsam eine kirchliche Einrichtung an.
 
Die große Frage für die angehenden Vikarinnen und Vikare ist sicher: Wo komme ich hin?
Das ist natürlich ein wichtiges Thema. Wir führen mit jedem Vikar und jeder Vikarin ein ausführliches Gespräch. Darin kann man sowohl inhaltliche als auch regionale Wünsche äußern. Wir versuchen, diese so gut wie möglich zu berücksichtigen. Ein gutes Lernsetting zu schaffen, hat für uns Priorität, dazu gehört auch, dass die Vikare oder Vikarinnnen gut leben können und sich gut mit ihren Mentoren beziehungsweise Mentorinnen verstehen. Wir wählen sehr gezielt aus, wer in welchem Bereich und in welcher Region gut geeignet ist, junge Vikarinnen und Vikare zu begleiten. Die Mentorinnen und Mentoren werden von uns geschult. Sollte es dennoch im Einzelfall zu Konflikten kommen, vermitteln wir und finden Wege, wie man kollegial gut miteinander arbeiten kann.

„Der Pfarrberuf wird anders aussehen und die jungen Leute können ihn und ihre eigene Zukunft mitgestalten.“

Findet am Ende des Vikariats eine Abschlussprüfung durch das Predigerseminar statt?
Nein, wir prüfen nicht. Das zweite Examen wird vom Prüfungsamt und von Prüfungskommissionen verantwortet. Dort sind wir nur beratend und begleitend tätig. Wir erstellen allerdings ein sehr differenziertes Dienstzeugnis, das ein Votum über die Eignung abgibt. Das machen wir sehr transparent für die Vikare und Vikarinnen. 

 
Was bedeutet es heute, Pfarrerin oder Pfarrer zu werden? Was sind die größten Herausforderungen?
Wir können heute wenig darüber sagen, wie die Kirche und der Pfarrberuf in zehn Jahren aussehen werden. Wir stecken in sehr starken Veränderungsprozessen, in allen Landeskirchen. Viele Vikarinnen und Vikare sind verunsichert von dem Strukturwandel, aber er bietet auch eine große Chance: am Veränderungsprozess mitzuarbeiten. Der Pfarrberuf wird anders aussehen, und die jungen Leute können ihn und ihre eigene Zukunft mitgestalten.